Das Waldinterview zum 10. Welterbegeburtstag
Am 25. Juni 2011 geschah in Paris im Hauptsitz der UNESCO Großes für den Naturschutz in Deutschland: Fünf deutsche Wälder wurden Teil der Welterbestätte „Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands“. Quasi über Nacht wurde aus dem Schattendasein der Europäischen Buchenwälder, der Urwildnis des Kontinents, ein Naturphänomen mit Weltruhm aber auch mit Verpflichtungen gegenüber der gesamten Menschheit. Zur sprudelnden Freude und Erleichterung der Akteure gab die UNESCO-Kommission an diesem 25. Juni umfangreiche „Hausaufgaben“ auf.
Bereits 2007 wurden die „Buchenurwälder der Karpaten“ in der Ukraine und Slowakei mit 10 Teilgebieten als Welterbe aufgenommen. Die Erweiterung 2011 umfasste Wälder in vier Nationalparks (Jasmund, Müritz, Hainich und Kellerwald-Edersee) sowie im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Sie alle repräsentieren die wertvollsten Relikte relativ großflächiger naturnaher Buchenwälder in Deutschland und in der Mitte Europas.
2017 wurde die von der UNESCO geforderte Nacharbeit umgesetzt und die Welterbestätte erneut erweitert. Sie umfasst nun 78 Teilgebiete in 12 Staaten, nach der Zahl der Staaten die größte Welterbestätte der Welt und wohl auch die mit dem längsten Namen UNESCO Welterbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ Die Gesamtfläche der Stätte beträgt ca. 92.000 ha sowie 253.000 ha Pufferzonen, mit einem räumlichen Schwerpunkt in den Karpaten. Hier ist nun die große Welterbefamilie Buchenwälder gut geschützt und bleibt als Europas Wildnis und Naturerbe den kommenden Generationen erhalten.
Was hat der Welterbestatus in den vergangenen 10 Jahren bewirkt?
Mit der Auszeichnung als UNESCO-Welterbe bewegte sich einiges für die Akzeptanz der Schutzgebiete und ihrer Schutzbemühungen. In den Gebieten steigerte der Titel das Image der gesamten Region, bot und bietet Chancen zu einer besseren, auf Qualität ausgerichteten touristischen Wertschöpfung. Ausstellungen wie das UNESCO-Welterbeforum bei Sassnitz entstanden auch anderenorts, zum Beispiel in Serrahn im Müritz-Nationalpark. Eine Welterbe-App für alle fünf Gebiete sowie stimmungsvolle Filme wurden produziert und thematische Wanderrouten ausgewiesen. Die Wälder von Welt fanden Eingang in die Bildungsarbeit der Gebiete.
Als Auftakt zum Jubiläumsjahr ging eine neue und überarbeitete Version der informativen Website www.weltnaturerbe-buchenwaelder.de in deutscher und englischer Sprache an den Start. Sie kann nun von allen beteiligten 12 Staaten gefüllt werden, um die gesamte Stätte in die Welt zu transportieren.
Zusammengewachsen sind die Buchenwälder auch mit anderen Welterbestätten, wie dem Wattenmeer oder in Thüringen mit der Wartburg. Für den Nationalpark Jasmund entstanden fruchtbare „nordische“ Welterbe-Patenschaften in der Ostsee-Region um Stralsund, mit Schwedischen Stätten oder dem Nationalpark Kurische Nehrung.
Bei allem, was sich beispielhaft entwickelte, bleibt ein Wermutstropfen, wenn es um den Waldnaturschutz insgesamt in Deutschland geht. Da bleibt noch viel Luft nach oben. So wurde das 2007 aufgestellte sogenannte „5 %-Ziel “ der Nationalen Biodiversitätsstrategie, d.h. ein Anteil von 5 % nutzungsfreier Wälder bis 2020, deutlich verfehlt: Wir schreiben 2021 und es sind im Mittel für Deutschland weniger als 3 % ! Weitere Buchenwälder könnten hier einen großen Teil der Gebietskulisse einnehmen.
Was werden die kommenden 10 Jahre für das Welterbe Buchenwälder bringen?
Eine dritte Erweiterung der Welterbestätte ist aktuell in Vorbereitung, womit dann die Stätte mehr als 100 Teilgebiete in 20 Staaten umfassen würde. Staaten mit wichtigen alten Buchen(ur)wäldern wie Polen und Frankreich wären dann Teil des gemeinsamen Welterbes. Bis dahin gilt es, in der bestehenden Stätte, wie auch in den potenziellen neuen Teilen, Bedrohungen auszuschließen, wie eine übermäßige forstliche Nutzung in den Pufferzonen. Gemeinsame Projekte zur besten Praxis, Forschung und Bildung werden nach wie vor gebraucht, um der globalen Verantwortung gerecht werden. Zusammenarbeit und Unterstützung über die Grenzen hinweg mit so vielen beteiligten Staaten und Teilgebieten machen diese Stätte aus und müssen gelebt werden.
Die EU plant mit ihrer Biodiversitätsstrategie, bis 2030, alle Primär- und Urwälder dauerhaft zu sichern. Wenn dies gelingt, sollte das beim 20-jährigen Jubiläum der Welterbegebiete 2031 gebührend gefeiert werden. Die gemeinsame europäische Welterbestätte kann und muss hier mit gutem Beispiel vorangehen.